Das Daodejing oder Daudedsching (auch: Tao-Te-King)

Ein Werk, das von Lao Tzu stammen soll, der vermutlich gegen Ende des 7. Jahrhunderts v. Chr. gelebt hat (wobei weder sein Werk noch seine Existenz zweifelsfrei belegt sind). Der Titel lässt sich als „Das Buch der Bedeutung und des Lebens“ ins Deutsche übersetzen.

Das Buch beschreibt den Weg, ein Leben im Einklang mit dem Tao zu führen – es geht um Vereinfachung, um das Wesentliche, um das Prinzip „im Weniger liegt das Mehr“. Statt jedoch den Text selbst im Detail zu besprechen, soll hier der Fokus auf seiner Rezeption in westlichen Sprachen liegen: Die erste Übersetzung in eine westliche Sprache war die deutsche Fassung von Richard Wilhelm im Jahr 1910, gefolgt von einer englischen Übersetzung.

Einige ausgewählte Zitate aus dem Werk:

2
...
So handelt auch der Weise:
Er wirkt, ohne zu handeln.
Er lehrt, ohne Worte zu gebrauchen.
Alles entsteht,
doch er weist nichts von sich.
Er erschafft, aber er beansprucht nicht.
Er wirkt, aber er hält nicht fest.
Ist das Werk vollendet,
hält er nicht daran fest.
Gerade deshalb bleibt es bestehen.

7
Der Himmel ist ewig, die Erde bleibt bestehen.
Ewig und beständig sind sie,
weil sie nicht für sich selbst leben.
Das ist der Grund, warum sie bestehen.

So auch der Weise:
Er stellt sich selbst zurück,
und so wächst sein Selbst.
Er gibt sich selbst auf,
und so wird er bewahrt.
Weil er nichts für sich beansprucht,
ist er ganz.

24
Wer auf den Zehenspitzen steht,
steht nicht fest.
Wer mit gespreizten Beinen steht,
kommt nicht voran.
Wer sich aufdrängt,
strahlt nicht.
Wer sich selbst rühmt,
erreicht nichts.
Wer sich selbst erhöht,
wird nicht anerkannt.

Im Tao ist ein solcher Mensch
wie ein Abfallrest oder eine offene Wunde.
Alle Geschöpfe verabscheuen ihn.
Darum: Wer das Tao hat,
hält sich nicht mit solchen Dingen auf.

43
Das Weichste auf der Welt
überwindet das Härteste.
Das, was keine Öffnung hat,
wird vom Nichts durchdrungen.
Daraus ergibt sich der Wert des Nicht-Handelns.
Das Lehren ohne Worte,
der Wert des Nicht-Handelns –
das verstehen nur wenige auf der Welt.

49
Der Weise hat kein eigenes Herz.
Er macht das Herz der Menschen zu seinem eigenen.
„Den Guten gegenüber bin ich gut,
den Nicht-Guten gegenüber bin ich auch gut,
denn das Leben selbst ist Güte.
Den Treuen gegenüber bin ich treu,
den Untreuen gegenüber bin ich auch treu,
denn das Leben selbst ist Treue.“

Der Weise lebt still in der Welt.
Die Menschen suchen ihn,
hören auf seine Worte und staunen.
Er aber betrachtet alle Menschen wie seine Kinder.

64
Das Ruhige ist leicht zu ergreifen.
Das noch Ungewordene ist leicht zu planen.
Das Zarte ist leicht zu zerbrechen.
Das Kleine ist leicht zu zerstreuen.

Bevor etwas geschieht,
handle darauf hin.
Bevor es Unordnung gibt,
sorge für Ordnung.

Ein Baum von einer Elle Dicke
entsteht aus einem zarten Zweig.
Ein Turm von neun Stockwerken
beginnt mit einem Erdhaufen.
Eine Reise von tausend Meilen
beginnt unter deinen Füßen.

Wer handelt, verdirbt es.
Wer festhält, verliert es.

Der Weise handelt nicht,
daher verdirbt er nichts.
Er hält nicht fest,
daher verliert er nichts.

70
Meine Worte sind leicht zu verstehen
und leicht zu praktizieren.
Doch niemand versteht sie,
niemand praktiziert sie.

Die Worte haben ihren Ursprung,
die Taten ihren Grund.
Weil man das nicht versteht,
versteht man auch mich nicht.

Mein Wert liegt darin,
dass ich selten verstanden werde.
Deshalb: Der Weise
trägt grobe Kleidung,
doch in seinem Herzen birgt er einen Edelstein.

76
Wenn der Mensch geboren wird,
ist er weich und schwach.
Wenn er stirbt,
ist er hart und stark.

Pflanzen sind weich und zart,
wenn sie wachsen,
und trocken und hart,
wenn sie sterben.

Darum: Das Harte und Starke begleitet den Tod.
Das Weiche und Schwache begleitet das Leben.

81
Wahre Worte sind nicht schön;
schöne Worte sind nicht wahr.
Der Fähige streitet nicht;
der Streitende ist nicht fähig.
Der Weise ist nicht gelehrt;
der Gelehrte ist nicht weise.

Der Weise begehrt nichts.
Je mehr er für andere tut,
desto mehr hat er.
Je mehr er anderen gibt,
desto reicher ist er.

Der Weg des Himmels ist:
fördern, ohne zu schaden.
Der Weg des Weisen ist:
wirken, ohne zu streiten.