Der Grund für Dostojewskis Festnahme und seine spätere Hinrichtung war eigentlich kein großes Ereignis. Er war Mitglied der Petraschewski-Gesellschaft. Ein Mann namens Michail Butaschewitsch Petraschewski lud einmal pro Woche in sein Haus ein, um mit anderen über die aktuellen gesellschaftlichen Probleme zu diskutieren. Diese Gesellschaft war zwar geheim, aber nicht illegal, obwohl sie Themen behandelte, die von den russischen Behörden nicht gerne untersucht wurden.

Die Gruppe war völlig harmlos und hatte keinerlei revolutionäre Tendenzen. Diese utopischen Sozialisten glaubten nicht an den Klassenkampf und dachten nicht einmal, dass die unteren Schichten durch Macht und Gewalt verbessert werden könnten. Als das Kommunistische Manifest 1848 veröffentlicht wurde, begann der Marxismus an Einfluss zu gewinnen. Die russische Geheimpolizei infiltrierte die Petraschewski-Gruppe und löste sie 1849 auf und verhaftete ihre Mitglieder.

Nach sechs Monaten Haft wurde Dostojewski zusammen mit den anderen Mitgliedern der Gruppe auf einen großen Platz gebracht. Dort wurde ihnen mitgeteilt, dass alle Gefangenen zum Tode verurteilt wurden und sie wurden in Reihen aufgestellt. Die Gefangenen wurden in drei Gruppen eingeteilt, Dostojewski gehörte zur zweiten Gruppe. Ihre Gesichter wurden verhüllt und sie wurden vor das Erschießungskommando geführt. (Es gibt noch einen weiteren Punkt, wenn jemand durch Erschießen zum Tode verurteilt wird: Es gibt immer mehr bewaffnete Soldaten als Gefangene. Nicht jeder Soldat erhält echte Kugeln, damit keiner später sagt, dass ihm die Psyche zerstört wurde, weil er jemanden getötet hat. Kein Soldat weiß, mit welcher Kugel der Tod tatsächlich erfolgt ist. Sie sind also keine Henker.)

Auf der Seite des Platzes standen sogar Kutschen mit Särgen. Der Priester kam und segnete die zum Tode verurteilten mit einem Kreuz. Die Soldaten nahmen mit ihren Gewehren Ziel. Der Marsch, der die Hinrichtung ankündigte, ertönte laut aus den Trommeln der Parade auf dem Platz. Dieser Marsch bedeutete, dass die Hinrichtung in einer halben Stunde stattfinden würde. In den letzten 30 Minuten kam ein weiterer Soldat auf einem Pferd, las ein Schreiben vor, in dem mitgeteilt wurde, dass die Hinrichtung abgesagt wurde und die Verurteilten eine andere Haftstrafe erhielten. Dostojewski und seine Freunde entkamen so dem Galgen.

Später schrieb Dostojewski in einem Brief an seinen Bruder, dass er, als er erfuhr, dass er begnadigt worden war, fast das Bewusstsein verlor und das Leben in seiner ganzen Fülle fühlte:

„Das Leben ist ein Geschenk, das Leben ist Glück. Jede Minute des Lebens kann ein Leben langes Glück sein.“