Ein wertvoller Freund. Leider.
Menschen, die nicht mit sich selbst im Reinen sind, fühlen sich ständig gezwungen, sich anderen mitzuteilen. Ich weiß das aus eigener Erfahrung.
Früher habe ich auch ständig ins Wort gefallen und das Gespräch auf mich gelenkt. Mit der Zeit habe ich gelernt, mich selbst und andere mehr zu hören. Die Stille auszuhalten, einfach mal zu schweigen... Das klingt banal, aber genau das ist es, was die meisten nervös macht. Wir geraten in Panik, wenn es eine Gesprächspause gibt.
Dieser liebe Freund von mir erzählt mir pausenlos seine Sorgen. Er macht mich zum Therapeuten. Ich setze Grenzen, erkläre es ihm höflich – und jedes Mal ist er traurig darüber, dass ich mich so fühle.
Neulich dachte ich mir: Jetzt bin ich mal dran! Ich öffne mich, erzähle von meinen Gedanken… und komme außer Atem. Es fühlt sich nicht wie ein Gespräch an, sondern wie ein Kampf darum, mir überhaupt Redezeit zu erkämpfen.
Ich sage: „Ich habe mich mit einem Typen getroffen, wir haben geredet, aber es hat nicht wirklich gefunkt. Ich glaube, das wird nix…“
Er: „Ja, wenn die Anziehung fehlt, geht’s einfach nicht. Weißt du noch, als ich mich mit jemandem getroffen habe? Superattraktiv, aber es hat auch nicht gepasst.“
Ich: „Ja… genau… jedenfalls wussten wir beide nicht so recht, was wir tun sollen. Vielleicht bleiben wir einfach befreundet.“
Er: „Ach, Freundschaft funktioniert nicht. Ich habe das mal während des Studiums probiert. Zwei Monate später waren andere Menschen da und die Freundschaft war vorbei. Übrigens, ich muss dir noch etwas erzählen…“
Jedes Mal bin ich fassungslos.
Er ist so voller Mitteilungsdrang, dass es einfach aus ihm heraussprudelt. Ich spüre richtig, dass es ihn Mühe kostet, mir zuzuhören.
Bitte, liebe Leute: Wenn ihr mit euren Freunden redet, verhaltet euch nicht, als würdet ihr auf der Couch eines Therapeuten liegen.
Und wenn ihr es doch tut – dann fragt wenigstens nach der IBAN, damit wir für unsere Dienste entlohnt werden.