Es ist eine klassische Zwickmühle – wie die Wahl zwischen Pest und Cholera. Wenn du verzeihst, gibst du in Wirklichkeit nicht nur den anderen auf, sondern vor allem dich selbst. Denn wenn wir jemanden lieben, tun wir das oft zur Befriedigung unseres eigenen Bedürfnisses nach Liebe – eine Art Lückenfüller für unser Inneres. Liebe ist letztlich ein egoistischer Akt. Der Schmerz darüber, dass er oder sie sich nicht meldet, die Enttäuschung über den Betrug oder all die anderen Verletzungen – sie sind ein Problem, weil sie „mich“ betreffen. Die Angst, nie wieder lieben zu können, ihn oder sie nie wiederzusehen, treibt uns an. Deshalb klammern wir uns in Beziehungen oft dumm und irrational fest. Und das gilt nicht nur für Einzelne – es ist eine universelle Dynamik.
Wenn Liebe so stark mit dem „Ich“ verbunden ist, bedeutet Verzeihen in diesem Zusammenhang vor allem, sich selbst zu verzeihen – für den eigenen Schmerz, für die Wunde, die entstanden ist. Denn für den anderen ist es eine Erlösung. Du hilfst ihm, sich reinzuwaschen, indem du deine eigenen Gefühle unterdrückst. „Warum hast du den Verrat gesehen, warum hast du die Lügen durchschaut? Jetzt ist die Harmonie dahin – also los, vergib!“ Das ist die Essenz des Verzeihens.
Wenn du loslässt, wächst der Schmerz, den du in deiner Naivität kultiviert hast, nur noch weiter. Und das ist die Belohnung für die andere Seite. Denn das Verhalten, das dich in diesen Zwiespalt zwischen Verzeihen und Loslassen gebracht hat, war genau darauf ausgerichtet, dich hierherzuführen.
Und am Ende bleibt nur ein Lied:
"Ich seufzte tief – mein Inneres brannte."
Das ist die ganze Wahrheit.