„Unter zwei Hypothesen, die denselben Sachverhalt erklären, ist diejenige mit den wenigsten Annahmen meist die richtige“ – so lautet das berühmte Prinzip von Ockhams Rasiermesser. Wenn man sich entspannt zurücklehnt und darüber nachdenkt, kann sich die eigene Perspektive zu vielen Themen drastisch ändern. Ich war jedenfalls erstaunt.
Niels Bohr sagte einmal: „Das Gegenteil einer tiefen Wahrheit ist ebenfalls eine tiefe Wahrheit.“ Nun könnte man eine Gegenhypothese formulieren: „Das Gegenteil einer tiefen Wahrheit muss nicht zwangsläufig eine tiefe Wahrheit sein.“ Nach Ockhams Rasiermesser ist die erste Aussage aufgrund ihrer spekulativen Annahme eher falsch, während die zweite Aussage mit geringeren Annahmen auskommt und daher wahrscheinlicher wahr ist. Doch hätten wir das von Anfang an so gesehen, wenn es nicht Bohr selbst gesagt hätte? Tatsächlich führt seine Aussage zur Selbstwidersprüchlichkeit: Wäre Bohrs Satz wahr, dann wäre auch sein Gegenteil wahr – was genau jene Aussage („Das Gegenteil einer tiefen Wahrheit muss nicht zwangsläufig eine tiefe Wahrheit sein“) zu einer tiefen Wahrheit macht und Bohrs ursprüngliche Behauptung damit widerlegt. Das ist ein klassisches Beispiel für „Reductio ad absurdum“ – eine These ad absurdum zu führen.
Das mag zunächst wenig bahnbrechend erscheinen, aber betrachten wir nun ein spekulativeres Beispiel: Bertrand Russells Teekannen-Argument, das die nicht falsifizierbaren Annahmen der Religion thematisiert. Russell schrieb sinngemäß: „Wenn ich behaupte, dass sich zwischen Erde und Merkur eine Teekanne befindet, die zu klein ist, um mit Teleskopen gesehen zu werden, würde mir niemand glauben. Wäre diese Vorstellung jedoch in alten Schriften überliefert und in Schulen gelehrt worden, dann würde jeder Skeptiker als unvernünftig gelten.“
Zwei Hypothesen stehen sich also gegenüber: „Zwischen Erde und Merkur kreist eine von selbst entstandene Teekanne“ und „Zwischen Erde und Merkur kreist keine von selbst entstandene Teekanne.“ Die zweite Hypothese erfordert weniger Annahmen und ist daher nach Ockhams Rasiermesser die plausiblere.
Dasselbe Prinzip lässt sich auf folgende Hypothesen anwenden:
Das Prinzip wurde 1340 vom englischen Denker William von Ockham formuliert und dient der Vereinfachung wissenschaftlicher und philosophischer Überlegungen. Sein Kernsatz lautet:
„Unter konkurrierenden Theorien ist diejenige mit den wenigsten Annahmen die beste.“